Entweder ganz oder gar nicht

Eiselfing/Wasserburg/München. – Andere lassen es in seinem Alter gerne etwas ruhiger angehen, er nicht.

Franz Mühlhuber ist wie eh und je im Baugewerbe aktiv und ein nimmermüder Hobbyradler. Ein Mann, extrovertiert und sprühend vor guter Laune. Das bringt er schon mit seiner Stimme zum Ausdruck. Kräftig ist sie, keine Silbe wird vernuschelt. Oft genug ist er ja am Rednerpult gestanden. Seit 1975 gehört er der Wasserburger Maurerzunft an, 1980 wird er zum Vorsitzenden gewählt, seit 2015 ist er Ehrenvorsitzender.

Zur Feier seines 75. Geburtstags im November kommt eine große Schar von illustren Gratulanten in die Wasserburger Paulanerstuben, darunter Bürgermeister Michael Kölbl, dessen Stellvertreter Otto Zwiefelhofer, Pfarrer Dr. Paul Schinagl, Stadträtin Marlene Hof-Hippke und der Obermeister der Bauinnung Wasserburg-Ebersberg, Martin Schmid. Mühlhuber revanchiert sich für die Glückwünsche auf besondere Weise: In einem Video lässt er die Geschichte der Zunft Revue passieren – eine von ihm selbst liebevoll gestaltete Präsentation, mit der er seine ganze Verbundenheit mit dem Maurergewerbe zum Ausdruck bringt. Ein Gast würdigt ihn darin mit den Worten: „Was Mühlhuber macht, macht er nicht nur 100-prozentig, sondern 1000-prozentig.“ Der Geehrte selbst sagt von sich: „Halbheiten gibt es bei mir keine.“ Entweder ganz oder gar nicht – das ist sein Motto.

Es ist ein munteres, kurzweiliges Gespräch, zu dem Mühlhuber den Mann von der Zeitung in seine Wohnung in München-Obermenzing geladen hat. Dem Gastgeber liegt viel daran, das wird schnell deutlich, die Erinnerung an das Zunftwesen wachzuhalten. Früher – vor der Gründung der Innungen ab etwa 1900 – seien es die Zünfte gewesen, die für die Ausbildung der Lehrlinge und die Meisterernennungen zuständig waren. Ein Protokollbuch aus dem Jahr 1816, das Mühlhuber ausgiebig studiert und dann seinem Nachfolger Harald Petermann übergeben hat, weist die entsprechenden Tätigkeiten nach. Jetzt hat die Maurerzunft nur noch die Aufgabe, die Tradition zu pflegen – eine Aufgabe, der sich Mühlhuber mit ganzem Herzen verschrieben hat.

Symbolhaft dafür steht die Max-Emanuel-Kappelle in der Wasserburger Altstadt. „Sie ist uns 1962 von der Stadt übergeben worden – mit der Auflage, sie in Schuss zu halten, also für die Renovierung und Erhaltung zu sorgen.“ Mit der Kirche sind die Maurer ohnehin im engen Bund, die Zunftfahne aus dem Jahr 1833 befindet sich in der Pfarrkirche St. Jakob. Heute zählt die Zunft 50 Mitglieder, wobei sie, wie andere Vereine auch, unter Auszehrung leidet. Der begeisterte Zünftler Mühlhuber lässt sich dadurch freilich nicht entmutigen.

In Eiselfing geht er acht Jahre zur Schule, die Ausbildung als Maurer – von 1957 bis 1960 – absolviert er in einem Wasserburger Betrieb. Nach der Lehrzeit verlässt er die Stadt. „Bub, wenn du was werden willst, dann geh‘ hinaus in die Welt“, lautet die Empfehlung seines Ausbilders. „Hier in Wasserburg bist du Maurer und bleibst du Maurer, da kommst du nicht vorwärts.“ Allzuweit muss Mühlhuber nicht reisen – in München-Ost heuert er bei der damaligen Siemens-Bauunion an. Ein mutiger Schritt mit nicht einmal 18 Jahren. „Am Freitag hab‘ ich mich gemeldet, am Montag stand ich schon auf einer großen Baustelle“, erzählt Mühlhuber. Und sofort geht’s ans Betonieren mit dem mitgebrachten Werkzeug. „Für mich war das am Anfang alles fremd.“

Schon nach drei Wochen erkennt der Vorgesetzte dessen Qualitäten, setzt ihn als Aufpasser für einen aus Italienern bestehenden Bautrupp ein. „Ich musste nicht arbeiten, nur schauen, ob die das richtig machen.“ Die Karriere geht steil bergauf, Mühlhuber besteht die Vorarbeiterprüfung, wird Industriemeister und anschließend Bauingenieur. Es ist eine anstrengende Zeit mit langen Schulungsabenden, auch an den Wochenenden wird gelernt. All das neben der Arbeit. „Das war eine harte Geschichte von 1969 bis 1972.“ Aber Mühlhuber nimmt souverän die Hürden auf dem Weg zum verantwortlichen Bauleiter.

Sein ursprünglicher Arbeitgeber, die Siemens-Bauunion, wird von Dyckerhoff & Widmann übernommen, dann steigt die Walter-Bau-AG ins Unternehmen ein. Mühlhuber behält noch lange seinen Job. „Erst 2003, nach 43 Jahren, bin ich ausgeschieden, nach dem Konkurs von Walter-Bau.“ Er macht sich selbstständig - und weiter geht’s. „Jetzt bin ich schon 75 und mach’ immer noch Bewehrungsabnahmen“, sagt Mühlhuber. Den beruflichen Ehrgeiz hat er sich auf jeden Fall bewahrt. Sein jüngstes Projekt ist eine Baustelle in der Kreillerstraße in Trudering. Gattin Hannelore hört dem Gespräch mit sichtlichem Stolz zu. 1984 hat sie den Franz bei einem Faschingsball näher kennengelernt. Seit 30 Jahren sind sie miteinander verheiratet, drei Kinder bringt er in die Ehe, sie zwei.

Und wie hat er es geschafft, so vital zu bleiben? Die Antwort kommt prompt: „Ich bin auch noch Radfahrer.“ Seine Lieblingsstrecke führt Richtung Dachau, über 60, 70 Kilometer. Bei dem Thema kommt ihm ein großer Tag in Erinnerung: Bei einem Rad-Weltcuprennen 1983 in St. Johann in Tirol erreicht er als bester Deutscher den sechsten Platz – in einem Feld von 83 Teilnehmern aus zwölf Nationen. „126 Kilometer in drei Stunden und zwölf Minuten“, das weiß er noch ganz genau.

Jahr für Jahr schwingt er sich weiter unverdrossen auf den Sattel. Heuer ist er schon 3000 Kilometer unterwegs gewesen. Mühlhuber – ein umtriebiger Mann. Voller Lebenslust.

OVB-Online Artikel - 10.01.2019

(C) und Quelle von Artikel und Bild liegen bei ovb-online.de

Anmerkung der Maurerzunft Wasserburg a. Inn
Wir sind sehr stolz und bedanken uns für diesen tollen Bericht!

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